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- Aus dem Editorial (FORUM Schriftenreihe Band 37)
Steril, aber nicht sauber?
Was würde Florence Nightingale sagen?
Die Sterilisationsmaßnahme geht auf das Wirken von Louis Pasteur zurück und man bezieht sie gern auf die in der Toskana geborene Britin Florence Nightingale, ausgebildet unter anderem in einem deutschen Hospital bei Düsseldorf (Kaiserswerth 1850/51), tätig für das Britische Königreich. Sie kannte aufgrund Ihrer Reisetätigkeit und späteren Erfahrung im Krimkrieg (1854-56) viele Traditionen, traditionelle Irrtümer. Sie entwickelte Strategien für die Hygiene und organisierte Maßnahmen, wie sie überall dort auftreten, wo viele Menschen eng zusammen leben, ob gesund oder krank. Flöhe, Wanzen, Bettzeug, Kleidung, Wasser, Klo und Entwässerung – die umfassende Sanitation muss bereits erfolgt sein, bevor man sich der Wäsche- und Verbandszeug-Aufbereitung, sowie der Medizinprodukte-Aufbereitung zuwenden kann.Florence Nightingale, aus liberaler Kaufmannsfamilie, nicht adelige Tochter eines Politikers des Unterhauses, widmete sich zeitlebens der Pflege, die sich im 19. Jahrhundert nicht für „höhere Töchter“ schickte: auf der einen Seite Ordensgemeinschaften, die sich dieser Aufgabe widmete, auf der anderen, einfache zumeist alleinstehende Frauen, die so ihr Überleben sicherten, dabei nicht selten im Ruf der Trunksucht standen oder denen bei Nachtdiensten auch andere Dienstleistungen nachgesagt wurden.[Quelle Florence Nightingale ist Wikepedia 2011].Sie hatte feststellen müssen, dass bei Kriegshandlungen insbesondere die Organisation der (britischen) Armee hinsichtlich der Fürsorge für die Soldaten im Allgemeinen und der hygienischen Vorsorge im Besonderen zu wünschen übrig ließ. Das fing bei Hemden und Bettwäsche an, die nur unzureichend zur Verfügung stand, setzte sich fort im Mangel von Tragen und Transportmöglichkeiten für Verwundete und führte dazu, dass Schussverletzte bereits Maden in der Wunde hatten, wenn sie an den Verbandsplatz kamen.Ihre Leistung war also insbesondere eine organisatorische: Die Dokumentation der Missstände, eine statistische Aufarbeitung und gleichzeitig die Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen, denn sie hatte dank einer eigenen guten Vorbereitung nicht nur umfangreiches Wissen in die Notwendigkeiten einer effizienten Pflege, nicht nur eine Schwesternschaft aus Freiwilligen, sondern auch Spendengeld. Es ist sehr interessant, in dieser Biografie zu lesen, da erkennbar wird, dass die Hygiene natürlich keine Einzelleistung ist, die Leistung aber nur möglich wird, wenn eine erkannte Wahrheit dann auch in Maßnahmen umgesetzt wird. Die Widerstände waren erheblich, und es wurden immer wieder auch Motive unterstellt, die sachfremd waren. Insofern steht Florence Nightingale für eine (Frauen-)Bewegung, die den kriegsführenden Generälen und entscheidenden Politikern vor Augen führten, dass dank der weitreichenden Pulverwaffen nun auch neue Verletzungsmuster in großer Zahl auftraten, für die es noch keine angepasste Sanitätslogistik gab.Sie war weder „Gipsheilige“ noch „Lady with the lamp“ bei der Nachtwache (die sie wohl recht einsam durchführte, denn den Schwestern untersagte sie nächtliches Arbeiten nach 20:30, um rufschädigende Situationen für ihre Mitarbeiterinnen zu vermeiden). Trotz häufiger Krankheiten erwies sie sich als eine durchsetzungsfähige Frau, die mehr vermochte, als Instrumente abkochen zu lassen. Sie erfasste statistisch Infektionen (Cholera, Typhus, Ruhr, Wundbrand) und belegte statistisch, dass daran mehr britische Soldaten starben als an den Schussverletzungen an sich (Abb. 2).Florence Nightingale verstand es, Infektionsursachen zu dokumentieren und statistisch anschaulich darzustellen.Gern zitiert wird Ihre Vorliebe fürs Einkochen von Marmelade, eine Technik des Haltbarmachens vor unserer elektrischen Kühlschrank-Epoche. Lag es da nicht nahe, dass ein Abkochen einer (rostigen, unvollständig gereinigten) Amputationssäge vielleicht das Infektionsrisiko verringerte? Steril machen war etwas Anderes als Desinfizieren, wo die Mikroorganismen bald wieder nachwachsen können!Wenn 150 Jahre später nun Grenzwerte der Reinigung (unbedenklich, Warnung, unakzeptabel) diskutiert werden, so bezieht sich dies doch ausschließlich auf die Messbarkeit und Machbarkeit des technisch Möglichen und nicht auf die Messbarkeit des klinisch Benötigten! Reinigungsgrenzwerte sagen uns bekanntlich nur etwas zu den Kriterien der technischen Machbarkeit, die wir vom RDG einfordern. Ein Vergleich, eine Bezugnahme auf Verschmutzungsgrade klinisch eingesetzter, potentiell infektiöser flexibler Endoskope ist nicht möglich.Bei der Endoskopie ist im Unterschied zur chirurgischen Intervention mit wechselnden Instrumenten (von Haken und Klemmen einmal abgesehen) die Verweildauer erheblich länger (nicht Sekunden, sondern viele Minuten), was eine Infektion zu befördern vermag.Die klinisch benötigte Präventionsmaßnahme bemisst sich an der erkannten Evidenz von Wundheilungsstörungen. Diese werden bei chirurgischen Operationen erfasst im Unterschied zui Endoskopien. Aufgrund der zumeist ambulanten Endoskopie-Maßnahme verschwindet der Patient wieder in seinem Alltag. Kommt es zu einer Reaktion oder Infektion, ginge er wohl nicht unbedingt an den Ort der Endoskopie-Maßnahme zurück. Er bleibt im Bett oder muss ins Krankenhaus.Es wäre wichtig und wünschenswert im Sinne der Prävention d.h. Hygiene, hier eine Erfassung der post-endoskopischen Komplikationen als Follow up-Ratio vorzunehmen. Ein einfacher Anruf eine Woche nach der Endoskopie würde schon viel zum Erfassen post-endoskopischer Komplikationen beitragen.Endoskopien werden gemeinhin als semi-kritisch beurteilt, die flexiblen Endoskope werden längs eines besiedelten körpereigenen Mikrobioms in den Körper geschoben. Dabei wird übersehen, dass sich möglicherweise im flexiblen Endoskop auch ein resistentes Mikrobiom herausbilden konnte, von Anwendung zu Anwendung, von Desinfektion zu Desinfektion! Bekanntlich kann nicht das gesamte flexible Endoskop gebürstet werden, es gibt Bereiche, die können sogar kaum gespült werden. Mikroorganismen ist es egal, wohin sie wachsen! Sie wachsen vielleicht ja auch in die Versorgungsschläuche hinein? Wer untersucht zerstörend flexible Endoskope, um den Fokus biologischer Retention zu ermitteln?Wie auch in diesem Beitrag wird viel argumentiert, aber die Thesen müssen durch Erkenntnisse untermauert werden, wofür Untersuchungsreihen benötigt werden. Abgesehen von unserer eigenen ReSt-Studie [FORUM PanAmericano 32/2017 p. 47-48] sind mir wenige zerstörende Untersuchungen an flexiblen Endoskopen bekannt. Oder werden eigene mikrobiologische Untersuchungen von Herstellern nicht veröffentlicht?.Weder konnte Spaulding in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts noch wollte die deutsche KRINKO 2012 die therapeutische Endoskopie anders als „semi-kritisch“ einstufen. Mit Blick auf seine Verantwortung für den Patienten kann der Betreiber im Rahmen seines Qualitätsmanagements eine vorsichtigere Risiko-Betrachtung vornehmen, die eine Einstufung nach Kritisch C vorsieht.Der klinische Betreiber muss sich auf Erkenntnisse und nicht auf Meinungen stützen können. Da heute Bakterienstämme wie Fingerabdrücke unterscheidbar und damit unter geeigneten Umständen auch auf Endoskope rückverfolgbar sind, wird es mittelfristig eine Frage der Haftung sein, die eine Niedertemperatursterilisation bei der flexiblen Endoskopie erzwingen wird. Mit der Niedertemperatur-Dampfsterilisation mit 2% Formaldehyd steht seit Jahrzehnten ein bewährtes preiswertes Verfahren zur Verfügung, das auch für große Duodenoskope und Koloskope ausreichend Platz in der Sterilisationskammer bietet.Wir wissen, dass wir mit der Reinigung keine Keimfreiheit erzielen, die Desinfektion ist nur zeitlich wirksam, bietet keine Verpackung und scheitert zumeist an Sporenbildnern wie C. dificile. Die Sporen-abtötende Maßnahme der Sterilisation vermag die Sicherheit für eine Freiheit von lebens- und vermehrungsfähigen Mikroorganismen zu erhöhen. Durch die Sterilbarriere-Verpackung erreichen wir die dokumentierte Lagerungsfähigkeit eines trockenen flexiblen Endoskopes bis zum Eröffnen für den nächsten Patienten.Die Sterilisationsmaßnahme war und ist die Annahme, dass ein weiterer Schritt zur Verhinderung von Infektionen die Sicherheit im Aufbereitungsergebnis erhöht. Wie der Sicherheitsgurt zusammen mit dem Airbag, mal die eine, mal die andere Sicherung den entscheidenden Anteil an der Sicherung des Fahrers hat, so sind die vielen Aufbereitungsschritte in der Gesamtheit dazu da, Risiken zu vermindern und die Sicherheit bei der Verwendung wiederverwendbarer Medizinprodukte beim nächsten Patienten zu erhöhen.Die teilweise tödlichen Infektionen bei Duodenoskopien bezeichnen zu Recht die berichtete Evidenz als den „tip of the iceberg“. Sie sagen nicht, wieviel Prozent oder wieviele Eisberge es noch gibt. Wir wissen, dass Eisberge ganz verschieden geformt sind, manche stürzen um, viele haben unter der Meeresoberfläche aber mehr Masse als wir sehen. Die Endoskopie steht daher so lange auf dem (Hygiene-)Prüfstand, bis es Entwarnung gibt.Bis eine Florence Nightingale kommt, können wir nicht warten. Warum bezahlt die Krankenkasse nicht einen Telefonanruf eine Woche nach flexibler Endoskopie? Mit einer offen zugänglichen Internet-Statistik könnte dann die prozentuale Inzidenz von Komplikationen nach der angeblich doch so schonenden Endoskopie mit „big data“ belegt werden - siehe die Verfahrensweise beim antibiotic stewardship! Nur so erfahren wir, ob diese Hygiene-Diskussion um angeblich verschmutzte flexible Endoskope eine Chimäre regelungswütiger forscher Forscher ist! Vielleicht wirkt sich das hier vermutete Mikrobiom in einem flexiblen Endoskop ja auch gar nicht auf das Patientenwohl aus, auch nach vielen Anwendungen, trotz beschriebener Biofilm-Bildung und erkennbar zerkratzter Arbeitskanäle?.Solange wir die tatsächlich erfolgten Infektionen, die publiziert wurden, nicht auf eine Gesamtzahl (erfolgter Endoskopien in der betrachteten Entität) beziehen können, ist das alles eine endlose Diskussion voller gut gemeinter Annahmen.200 Jahre F. Nightingale können uns lehren, was Gründlichkeit und Bedachtsamkeit sind. Als Frau unter Generälen setzte sie geeignete Maßnahmen zum Wohle der Verwundeten durch. Wichtiges zu erkennen, ist das Eine. Im Widerstreit der Meinungen eigene Maßnahmen belegen zu können, das Andere. In diesem Sinne wünsche ich dem geneigten Leser des FORUM Schriftenbandes 37 Anregungen für seine Arbeit.
Dr. med. Dipl. Ing. Thomas W. Fengler
Schriftführer Chirurgie-Instrumenten-AG Berlin
Herausgeber
- Internationales FORUM Medizinprodukte & Prozesse (seit 1999)
- FORUM PanAmericano (seit 2016)
- CLEANICAL beteiligt sich am ZIM-KOOP-Projekt "ChiruClean"
Entwicklung eines enzymbasierten Reinigungsverfahrens zur sicheren und validierten Aufbereitung von Chirurgie-Instrumenten.
Das Projekt läuft seit 01.01.2014 und befindet sich derzeit in der Verlängerung. Es widmet sich der Entwicklung neuartiger enzymatischer Reinigungsverfahren für chirurgische Instrumente zusammen mit 2 Forschungseinrichtungen und zwei weiteren Unternehmen.
- Neu erschienen in der FORUM-Schriftenreihe:
- Kürzlich in der FORUM Schriftenreihe erschienen:
FORUM PanAmericano 5° Edition/5a editcón (Volume 36)
"Sterile, but not clean?"
"Estéril, pero no limpio?"
- (P) 03/2020
FORUM Schriftenreihe Band 35
Medizinprodukte: Benign by design?
FORUM PanAmericano 4° Edition (Volume 34)
"A road map for valid processing"
"Hoja de rutas para un procesamiento valido"
FORUM Schriftenreihe Band 33
20 Jahre FORUM: von der Reinigung zum Risikomanagement
- ZENTRALSTERILISATION Supplement 2015
"Por último 2011 – 2015 / En fin de compte 2011 – 2015
Inhalt: Die interessantesten Beiträge der Schriftenreihe "Internationales FORUM Medizinprodukte & Prozesse" in spanischer und französischer Übersetzung. Erfreute sich großer Beliebtheit beim "1o Congreso Iberoamericano Esterilización" im Juni in Barranquilla/Kolumbien
- Die neue KRINKO-Hygiene-Empfehlung
Unser "Glossar für die KRINKO 2012" wurde in Management und Krankenhaus (Whitepaper-Beilage) veröffentlicht und kann online aufgerufen werden unter: